Puppen und Kerle
Bänz Friedli greift (noch einmal) ein Tabuthema auf. Hier kannst du dich mit ihm oder anderen Leser(inne)n austauschen und die vom Autor selbst gelesene Hörkolumne herunterladen.

Es war vor 14 Jahren. In einer Wochenzeitschrift schrieb ich, wie sehr mir der Rückschlag missfalle, den ich bei den Rollenbildern beobachtet hatte:«Emanzipation? Gleichstellung? Vergiss es, Mann. Die jungen Frauen sind wieder anschmiegsame Tussis, die Jungs voll krasse Kerle.» Tage zuvor hatte unser Vierjähriger seine Puppe in die Kinderkrippe mitnehmen wollen. «Kaum sind wir angelangt, umringen ihn fünf Knaben – ein kleiner Türke, zwei Albaner, ein Sizilianer und Adam aus Nigeria, alle blicken finster. Und noch ehe einer von ihnen ihn verhöhnen kann, drückt er mir sein Bäbi, es heisst Monika, wieder in die Hand und sagt kleinlaut: ‹Nimmst du die Monika bitte mit ins Büro?›» Buben spielen nicht mit Puppen bei uns in der Vorstadt.
Und unsere kleine Tochter war betrübt vom Chindsgi heimgekommen. Ihr bester Kamerad, der Abdurrahman, wolle plötzlich nichts mehr von ihr wissen. Dort, wo er herkomme, spielten Knaben nicht mit Mädchen, habe sein Papi gesagt. «Schon mit fünf sind sie ausgewachsene Macker, die kleinen Chilenen, Pakistaner, Montenegriner», folgerte ich. «Wozu haben wir gopferglemmi 30 Jahre lang gegen Rollenklischees angekämpft, wenn Immigrantenknäbchen und, in deren Windschatten, hiesige Burschen auf unseren Pausenplätzen nun wieder den Macho markieren?» Der Text sorgte für Aufruhr.
Ein Podiumsgespräch wurde anberaumt, im Zürcher Stadthaus. Dort wurde ich aufs Schärfste attackiert. Eine SP-Politikerin und heutige Regierungsrätin, damals noch sehr rothaarig, beschimpfte mich als Rassisten, eine andere fand mich «zum Kotzen». Backlash durch Immigration? Das Thema war tabu. Für Linke, weil ihnen blinde Fremdenfreundlichkeit über alles ging. Für rechte Parteien, weil sie selber ein rückständiges Frauenbild pflegten.
Im August 2018 verprügeln junge Männer in Genf fünf Frauen, einfach so. In Zürich werden mehrere Frauen begrapscht, belästigt, geschlagen. Der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet sagt: «Männer aus patriarchalen Kulturen, die schlecht integriert sind, betrachten Frauen als etwas Minderwertiges.» Heute darf man es aussprechen: Das Problem sind Männer aus patriarchalen Kulturen.
An dem Tag, als Abertausende nach Zürich an die Street Parade strömten, verliessen unsere 19-Jährige und ich die Stadt mit der Bahn. Bevor wir einsteigen konnten, platschte eine Horde junger Männer aus dem Zug, angereist aus Richtung St. Gallen, Wil, Winterthur. Sogleich machten sie meine Tochter – es war morgens um elf, und sie waren schon hagelvoll – aufs Übelste an. Reine Belästigung. Vom Dialekt und dem Aussehen her eindeutig junge Schweizer. Vermutlich stammen sie aus einer patriarchalen Kultur.
Elodie Lavalee
Elodie Lavalee
30.08.2018Der Artikel von Bänz Friedli (Puppen und Kerle) spricht mir aus dem Herzen! Meine Kindheit war in der Zeit, als die Frauen in der Schweiz noch kein Stimmrecht hatten (ich bin jetzt 57 Jahre alt). Zwar erlebte ich als Mädchen und junge Frau einiges an Diskriminierung und sexueller Belästigung, jedoch nur von älteren, erwachsenen Männern, nie von gleichaltrigen Burschen. Ich konnte in der Jugend angst- und gefahrlos mit Jungs oder auch ganz allein in den Ausgang gehen, ohne dass mich jemand hätte beschützen müssen.
Seit der Zuwanderung von Männern aus ausgesprochenen Machokulturen hat sich alles zunehmend verändert und sehr verschlimmert. Was ist, wenn diese jungen Männer den Schweizer Pass und Einlass ins Parlament bekommen? Was zudem noch das Frauenbild änderte, ist die für kleine Buben allzugängliche Pornografie, in welcher die Frauen meist nur als williges Fleisch dargestellt werden. Eine weitere Gefahr für die Frauen sehe ich darin, dass den jungen Frauen oft der Stolz und das Selbstwertgefühl fehlt und sie somit alles tun, nur um einem Jüngling zu gefallen und ein bisschen beachtet zu werden, anstatt entschlossen und unabhängig ihren eigenen Lebensweg zu gehen.
Der weltweite Machismo mit seiner ganzen Zerstörungswut (Kriegsindustrie, Terrorismus, ungebremstes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum mit einhergehender Umweltzerstörung, Machtstreben, usw.) sollte ab sofort gestoppt werden. Die Zeit ist reif für die Frau. Die Zukunft heisst "Gemeinsam, Miteinander, Füreinander - mit Achtsamkeit gegenüber allen Erdgeschöpfen"
Ich danke Bänz Friedli und der Migroszeitung für ihren Mut, den Artikel zu schreiben und zu veröffentlichen!
Regula Lienhard
Regula Lienhard
30.08.2018Ungebremster Bevölkerungswachstum und Machos sind ein und dieselbe Gefahr für uns Frauen(meine Oma musste 11 Schwangerschaften ,1930 iger Jahre, erdulden).Daher bin ich eine Anhängerin von VHEMT.org.
Verena Derron
Verena Derron
28.08.2018Es ist sehr mutig von Herrn Friedli dieses Thema aufzugreifen. Bin aber sehr froh darüber. Spinnen wir den Faden etwas weiter: ein junger Mann sieht einen Übergriff und will der Frau helfen. Die ganze Situation artet aus und der junge Mann schlägt den Vergewaltiger spitalreif oder der junge Mann wird selber zum Krüppel gemacht. Wer muss dann wohl ins Gefängnis??????
Esther Schmid
Esther Schmid
28.08.2018Immigrantenknäbchen und hiesige Hinterwälder Burschen müssen in jeder (auch in Sachen Schwangerschaftsverhütung/Kondome später Steri) Beziehung obligatorisch aufgeklärt werden.Wir brauchen keine Machos sondern mitdenkende Burschen.
Björn Stender
Björn Stender
27.08.2018Zum glück haben sie noch geschrieben das die Schweizer betrunken waren, das gilt ja schlieslich immer als Entschuldigung.
Anständige nüchterne Schweizer sind ja vermutlich frei von Sexismus. Hach dieses schöne Land und seine SchweizerInnen frei von Sexismus, Rassismus und auch sonst allem bösen...wenn es doch nur nicht immer wieder von aussen in dieses kleine Paradies gebracht würde.
Bänz Friedli
Bänz Friedli
28.08.2018Stimmt, betrunken darf nie eine Ausrede oder gar Entschuldigung sein! Es war halt in jener Situation einfach so.
Björn Stender
Björn Stender
28.08.2018Ich hab das schon auch so gelesen wie Sie es jetzt nochmal kommentieren...ich finde allzu häufig wird eben das schlechte sei es Sexismus oder anderes damit ein wenig entkräftet das man noch dazu schreibt das die Menschen betrunken waren...ob rotzevoll oder beschwipst. Auch wenn das keine bewusste Entschuldigung des Vorgangs ist löst es in den Köpfen der meisten Menschen vermutlich eine Reaktion aus wie " naja die waren halt betrunken, sonst würden die das nicht machen." Das patriachale Strukturen angegriffen gehören und nicht schöngeredet versteht sich von selbst, egal welcher nationalität ihre Ursprünge sind.
Bänz Friedli
Bänz Friedli
27.08.2018Nein, natürlich kommt nicht alles Böse von aussen, lieber Björn Stender. Das hab ich ja geschrieben: dass es auch in der Schweiz Sexismus gibt und das ganze eben reichlich viel komplizierter ist. Auch komplizierter, als ich vor vielen Jahren dachte. Aber: Es hat keinen Sinn und hilft niemandem, die Tatsache schönzureden, dass in unserem Land Buben aufwachsen, die daheim eine völlige Machokultur erleben – und diese dann als selbstverständlich erachten. Aber die totale Erniedrigung und Bevormundung der (Ehe)frau, wie ich sie in dem Quartier erlebte, in dem unsere Kinder aufwuchsen, darf eben nicht selbstverständlich sein und ist in keiner Weise tolerierbar.
Damit habe ich nicht gesagt, es gäbe in der Schweiz ohne Immigration keinen Sexismus. Den gibt es, ganz klar: Mal ganz plump wie bei der beschriebenen Horde Besoffener, oft viel subtiler und schwieriger fassbar in Job, Familie, Politik, Gesellschaft. Es gibt viel zu tun. Miteinander. Liebe Grüsse!