Ein Gentleman wird 100
Als Graf Yoster schrieb der Basler Schauspieler Lukas Ammann Fernsehgeschichte. Zum Hundertsten ehrt ihn das deutsche Fernsehen mit einer Spezialnacht.

Lukas Amman gibt gern Gas. Auch im hohen Alter fährt er immer noch Auto. Genauer BMW. Sein Fahrstil wird von Beobachtern an seinem Wohnort in der Nähe von München süffisant als «italienisch» beschrieben. «Natürlich fahre ich noch», sagt Lukas Ammann in schönstem Baseldeutsch, «ich wohne etwas ausserhalb, zwischen zwei grösseren Ortschaften, und brauche das Auto zum Einkaufen.» Seine Stimme ist klar und kräftig. Sein Geist vif und wach. Am 29. September lebt Lukas Ammann seit genau einem Jahrhundert.
Natürlich fahre ich noch Auto. Ich wohne ausserhalb.
Zwei Tage davor, am 27. September um 18.15 Uhr, ehrt ihn der deutsche Fernsehsender SWR mit einer Doku mit dem Titel: «Lukas Amann gibt sich die Ehre – Dem Grossvater der Fallers zum 100. Geburtstag.» Ein paar Tage später, am 3. Oktober, zeigt der Sender in einer langen Nacht, die um zehn Minuten vor Mitternacht startet und gegen fünf Uhr morgens endet, zwölf Folgen der TV-Serie «Graf Yoster gibt sich die Ehre».


Mit seiner Paraderolle schrieb Ammann zwischen 1967 und 1977 Fernsehgeschichte. Als distinguierter adliger Krimiautor ermittelte er auf eigene Faust in Sachen Mord und Totschlag in der besseren Gesellschaft. Immer dabei: ein Regenschirm und ein Rolls Royce, gefahren vom vorbestraften Chauffeur Johann (gespielt von Wolfgang Völz), dessen nicht immer lupenrein legales Vorgehen und unvermeidliche Frauengeschichten der Herr Graf mit einem indignierten Blick zu quittieren pflegte.
Gegessen wurde vor oder nach «Graf Yoster» – sicher nicht während
Yoster war Kult. Ein Strassenfeger. Ein Quotenknüller. Zu Abend gegessen wurde in jener grauen TV-Vorzeit entweder vor oder nach «Graf Yoster» – aber sicher nicht während. Die Sitte des TV-Dinners war noch nicht erfunden. Trotz des überwältigenden Erfolgs hat Lukas Ammann bis heute ein gespaltenes Verhältnis zu seiner Paraderolle: «Im Endeffekt hat mir die Serie mehr geschadet als genützt», sagt er. Denn der Graf blieb an ihm kleben. Zäh und hartnäckig, wie richtiger alter Adel.
Zwar hatte Ammann in den folgenden Jahren regelmässig Auftritte in Kinofilmen und TV-Serien. Aber erst 1994 startete er noch einmal richtig durch. In der TV-Serie «Die Fallers» spielte er Wilhelm Faller, das Familienoberhaupt einer Schwarzwälder Bauernfamilie. Da war Lukas Ammann 81-jährig. Als er im Jahr 2000 aussteigen wollte, sammelte die Faller-Fangemeinde Unterschriften und hoffte, ihn mit ihrer Petition zum Bleiben bewegen zu können. Vergeblich. Ammann zog sich an seinen Wohnort bei München zurück, übernahm noch eine Gastrolle in einem Tatort und spielte 2005 seine bisher letzte Rolle, einen jüdischen Rabbi namens Goldstein in Micha Lewinskys preisgekröntem Kurzfilm «Herr Goldstein».


Er zeichnet Karikaturen und skypt mit den Söhnen in Uruguay
Ammann lebt zwar zurückgezogen in einer Art Schlösschen in Bayern, aber alles andere als in der Vergangenheit. Er surft mit seinem Laptop täglich in Internet und spricht mit seinen zwei Söhnen und den Enkeln in Uruguay über das Internet-Bildtelefon Skype. Vor drei Jahren starb seine grosse Liebe, die Schauspielerin Liselotte Ebnet. Seither kümmert sich Anni, eine Freundin des Hauses, um ihn. Ammann ist charmant, gewitzt und schlagfertig – und zeichnet mit sicherer Hand und stilsicherem Sinn für Humor Karikaturen. Trotz tadelloser Haltung und aristokratischer Aura ist Ammann ein kommunikativer und zugänglicher Mensch.
Seinen runden Geburtstag indes hätte er der Welt am liebsten verheimlicht. «Ich wollte im Stillen feiern, ihn am liebsten verschweigen», sagt Ammann. Der ganze Rummel um seinen Runden sei ihm eigentlich zu viel. Fehle nur noch, dass das Schweizer Fernsehen auch noch etwas von ihm wolle. «Aber», sagt Lukas Amman, «die wollten 40 Jahre lang nichts von mir wissen, die müssen jetzt auch nicht mehr kommen.»
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