Ist der Muttertag noch zeitgemäss?
Seit fast 100 Jahren feiert die Schweiz ihre Mütter. Doch die Bedeutung des «schönsten Jobs der Welt» ist umstritten. Sogar bezüglich der Notwendigkeit des Feiertags sind sich viele uneinig. Eine Bestandesaufnahme.

Um den Austausch unter Müttern zu fördern, rief die US-Amerikanerin Ann Maria Reeves Jarvis 1865 eine Bewegung namens «Mother’s Friendship Day» ins Leben. Im Mai 1914 machte der USKongress den Muttertag zum nationalen Feiertag. 1917 wurde der Muttertag in der Schweiz eingeführt – diesen Sonntag ist es wieder so weit.
Die Mutter von heute muss einiges einstecken: das Unverständnis von Vorgesetzten, wenn sie die Schwangerschaft verkündet. Den Vergleich mit unrealistischen «After Baby Bodys» in den Medien. Das Stöhnen der Mitpendler, wenn ein Buggy den Weg versperrt. Das erhöhte Armutsrisiko am Ende des Lebens. «Heimchen» zu sein ist verpönt, das neue Leitbild ist die Alleskönnerfrau. Angesichts der wachsenden Ansprüche an die Frauen scheint der Muttertag ein schönes Ritual zu sein, um Dankbarkeit und Wertschätzung auszudrücken.
Doch gefeiert wird in der Schweiz hauptsächlich der Tradition wegen. Viele halten die einseitige Huldigung der Mutter für veraltet. So auch «Wir Eltern»-Chefredaktorin Karen Schärer: «In vielen Familien sind auch Väter belastet. Diese Leistungen werden nicht in gleichem Masse anerkannt», sagt sie im Interview. Pro Juventute fordert eine Neudefinierung des Muttertags: Er soll der Stärkung der Familien in Politik und Arbeitswelt dienen. In Österreich würde laut einer Umfrage ein Viertel den Muttertag abschaffen. Der deutsche Verband Unterhalt und Familienrecht schlägt sogar vor, neben dem Muttertag auch den Vatertag zu streichen, weil mit beiden Rollenklischees kultiviert würden.

Experteninterview
«Es bringt nichts, wenn man alles daran setzt, ein perfektes Bild abzugeben»
Autor: Anne-Sophie Keller