Endlich eine Heim-EM!
Zum ersten Mal nach 60 Jahren findet wieder eine Leichtathletik-EM in der Schweiz statt. Vom 12. bis 17. August kämpfen rund 1400 Sportler in Zürich. Vier hoffnungsvolle Athleten im Gespräch.

Tobias Furer, der in einer WG in Basel wohnt, wird am 13. August 27 Jahre alt. Der dreifache Schweizer Meister über 110 Meter Hürden hat Sport und Sportwissenschaften studiert – mit Geografie im Nebenfach. Bis zu den Sommerferien unterrichtete er am KV Baselland Sport. Jetzt steht für ihn die EM im Fokus.
Überhaupt nicht. Ziel ist es, meine Bestleistung weiter zu verbessern. Doch dafür muss einiges zusammenspielen. Bei meinem persönlichen Rekord in La Chaux-de-Fonds kämpfte ich im Regen. Das zeigt mir, dass ich noch Potenzial von einem bis zwei Zehntel habe.
Ich sollte die Vorrunde überstehen. Aber mein Minimalziel ist klar: Ich will in die Halbfinals vorstossen. Weil ich eher der Kraftläufer bin, gehe ich mit Wind oder Regen besser um.
Ich bin nun seit vier Jahren in einem Projekt mit dem Ziel, die Limite für die EM zu knacken. Mir war von Anfang an klar, dass ich diese schaffen kann. Der Wettkampf ist für mich der erste Grossanlass bei den Aktiven. Selten habe ich so viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten. Alle wissen, um was es geht. Und das ist schön.
In jungen Jahren habe ich alle Leichtathletik-Sportarten trainiert und zwei, drei Jahre Zehnkampf betrieben. Dabei stellte ich fest, dass ich in den technischen Disziplinen am meisten Punkte holte. Wenn man studiert und Trainings allein absolviert, ist es einfacher, nur eine Disziplin zu trainieren. Beim Hürdensprint fasziniert mich, dass ich zehn Mal die gleiche Bewegung auf den Punkt bringen muss. Ein kleiner Fehler genügt – und der ganze Lauf ist missraten.
Nein, momentan nicht. Ich bin Single. Sport interessiert mich schon sehr. Dazu habe ich meine Masterarbeit geschrieben, in der ich den Einfluss der Rumpfkraft auf Schnelligkeit und Wendigkeit untersuchte.

Selina Büchel ist erst 23 Jahre alt und dank ihrer Nachwuchstitel schon 13-fache Schweizer Meisterin. An einem Geländelauf in ihrem Wohnort Mosnang SG entdeckte sie als Mädchen die Begeisterung für den Laufsport. Heute arbeitet die 800-Meter-Läuferin nebenbei als Raumplanungszeichnerin.
Das wüsste ich auch gerne (lacht). Ich versuche, immer schneller zu werden. Aber wenn ich wüsste, wie schnell ich laufen kann, könnte ich aufhören. Denn genau das ist mein Antrieb: Ich will herausfinden, wie schnell mein Körper wirklich ist.
Es ist schwierig, einen Rang vorauszusagen. Ich nehme mir vor, taktisch eine gute Leistung zu zeigen. Ein erstes Ziel ist die Qualifikation für den Halbfinal. Dort versuche ich, in den Final vorzustossen.
Sehr viel. Wegen dieser Heim-EM habe ich meine Arbeit auf 20 Prozent reduziert. Momentan dominiert bei mir eine Megavorfreude. Für uns Schweizer Athleten sind diese Europameisterschaften ein einmaliger Anlass.
Ich beisse mich gern durch. Nach zwei Minuten ist alles wieder vorbei. Das ewige «Ründele» mag ich nicht. 800 Meter sind extrem fokussiert: ein taktischer Fehler – und das Rennen ist gelaufen.
Der Sport braucht viel Zeit. Unter der Woche trainiere ich, am Wochenende stehen Wettkämpfe an. Da ich aber reduziert arbeite und bei meinen Eltern lebe, habe ich auch ein wenig Zeit für mich und meine Familie. Daneben habe ich früher gern Biographien gelesen, heute halte ich mich eher an historische Romane und Unterhaltungsliteratur. Momentan lese ich «Der Drachenläufer».

Fabienne Schlumpf (23) arbeitet in Wetzikon ZH auf der Gemeinde. Ende Mai verbesserte die 183 Zentimeter grosse und 62 Kilogramm schwere Athletin ihren eigenen Rekord über 3000 Meter Hindernis um rund zehn Sekunden auf 9:37.81.
Mit viel Arbeit und Training. Ich hatte das Glück, dass ich nie verletzt oder krank war und konnte mich so jedes Jahr stark verbessern.
Wenn am Wettkampftag alles klappt und ich die richtige Taktik wähle, ist das realistisch. Schaffe ich es nicht, wäre ich schon sehr enttäuscht.
Ja. Jeder Sportler will ein Mal bei Olympischen Spielen dabei sein. Wenn es so weitergeht, schaffe ich das. Jetzt starte ich aber zuerst einmal an der EM, 2015 hoffentlich an der WM in Peking. Die EM ist für mich ein riesiger Höhepunkt. An einem solchen Grossanlass kann ich in der Schweiz nur ein Mal in meiner Karriere starten.
Die Hürden sind cool und sorgen für Abwechslung. 3000 Meter Steeple besteht eben nicht nur aus Laufen, sondern aus Hindernissen, die ich so schnell wie möglich überqueren muss. Das macht es spannend; mir wird es unterwegs nie langweilig.
Nicht mehr so viel. Mein Leben besteht grösstenteils aus Sport. Manchmal liebe ich es auch ganz einfach, bei anderen Sportarten wie Skifahren, Triathlon, OL oder Langlaufen zuzuschauen, weil es in meiner Trainingsgruppe Triathleten und Orientierungsläufer hat. In meiner Freizeit gehe ich gern mit meiner Familie und Freunden etwas trinken. Aber ich bin keine Partynudel, die bis in alle Nacht unterwegs ist.

Maja Neuenschwander (34) ist 168 Zentimeter klein und 54 Kilogramm leicht. Die in Rubigen BE wohnhafte wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Sport ist derzeit die schnellste Marathonläuferin der Schweiz und weilt im Höhentrainingslager in St. Moritz.
Es ist nicht so, dass ich keinen Kaffee mehr trinken darf. Aber ich möchte in den sechs Wochen vor dem Marathon bewusst auf ihn verzichten, um mich mental abzuhärten.
Meine Trainerin Sandra Gasser, meine Familie, meine Partnerin und meine Freunde merken, dass ich angespannt bin. Ich bin zwar kein Kaffeejunkie, liebe ihn aber schon sehr. Normalerweise trinke ich fünf Tassen pro Tag. Jetzt ist das wie ein kleiner Entzug. Nach dem Wettkampf gönne ich mir eine Tasse mit Kuchen dazu. Bis dann werden mir all die Kohlenhydrate verleidet sein.
Sehr gut. Ich habe über ein Dutzend Marathons in den Beinen und umfangmässig einen Höchststand erreicht, den ich nicht mehr steigern kann. Nun feile ich an meiner Intensität.
Momentan fehlen mir dazu vier Minuten. Ich nehme Schritt für Schritt. Ich bin erst die zweite Schweizerin, die unter 2:30 gelaufen ist. Vor drei Jahren hätte ich mir das nie zugetraut. Es stellt sich die Frage, wie viel ich aus meinem Körper herausholen kann. Welche Zeit das ist, kann ich nicht sagen. Entscheidend ist, dass ich verletzungsfrei bleibe.
Dass wir vier Mal zur ETH-Polyterrasse hochrennen, ist seit über einem Jahr bekannt. Entsprechend habe ich mich seit Frühling 2013 darauf eingestellt und meine Trainingsstrecke angepasst: Ich laufe sehr viel im Gelände und weniger auf flachen Strecken.
Autor: Reto E. Wild
Fotograf: Christian Schnur